Begonnen hat alles mit einem Instagram-Posting im dritten Lockdown im Jänner 2021. Ein Jugendlicher warnte seine Follower davor, in der Nacht ins Freie zu gehen, weil er aus verlässlicher Quelle wisse, dass die Regierung plane, die Bevölkerung mittels von Hubschraubern versprühten Medikamenten zu impfen. Darauf angesprochen, was seine verlässlichen Quellen wären, nannte er Instagram und Internet.
Schon seit Beginn der Pandemie beschäftigten uns, die Mitarbeiter*innen des Jugend- und Stadtteilzentrums come2gether, eine große Zahl von Verschwörungsmythen, mit denen uns unsere Besucher*innen immer wieder konfrontierten. Dass Bill Gates Chips einsetzen lässt oder dass Nasenbohrertests das Gehirn verletzen waren zum Beispiel zwei davon. Im offenen Betrieb, im Internet und bei der herausreichenden Arbeit, versuchten wir die Mythen mit Fakten und Gegenerzählungen zu widerlegen, doch der Erfolg war überschaubar.
Die Hubschraubergeschichte war dann schließlich der Anlass, einen neuen Weg zu versuchen. Wir suchten nach einem Format, mit dem wir sehr niederschwellig jene Mythen aufklären konnten, mit denen wir in der alltäglichen Arbeit von unseren Jugendlichen konfrontiert werden. Diese Aufklärung sollte auf Augenhöhe passieren und von einer Person übernommen werden, die aus dem Kreis unserer Besucher*innen stammt.
In Marcel Asanovic, einem Stammgast im c2g, fanden wir einen großartigen Protagonisten für das Projekt „Faktenchecker“. Er hatte bereits einige Erfahrung mit dem Medium Video, wirkte bei einigen Folgen der Serie „drüber reden“ und anderen Beiträgen mit, die das come2gether seit 2017 für CU-TV produziert.
Gemeinsam mit Marcel wurde das Format entwickelt und der Ablauf festgelegt. Die Themen für die einzelnen Folgen ergaben sich aus den Gesprächen und Chats mit den Jugendlichen. Besonderes Augenmerk wurde auch auf die Postings in den Sozialen Medien gelegt. So behandelte eine Folge Bill Gates, eine andere wurde zum Thema Chemtrails produziert.
Die Bedingungen für die Produktion waren durch den Lockdown denkbar ungünstig. An einen Dreh im Jugendzentrum war nicht zu denken, persönlicher Kontakt musste weitgehend eingeschränkt werden und, sollte er trotzdem nötig sein, musste dabei eine FFP2- Maske getragen werden. Ein maskierter Moderator war aber undenkbar, darum nutzten wir die Plattform Zoom.
Insgesamt wurden sieben Folgen gedreht (die Letzte wurde auf Grund ihrer Länge in zwei Teilen veröffentlicht). Für die Veröffentlichung wurden drei Wege gewählt:
- Soziale Medien: jede Folge wurde auf facebook und Instagram veröffentlicht. Gestartet wurde damit im Februar 2021, die letzte Folge wurde im Juli 2021 auf facebook und Instagram gestellt.
- CU-TV: Jedes Monat wurde eine Folge des Faktencheckers auf CU-TV, der Sendung des Vereins Wiener Jugendzentren, gespielt.
- www.jugendzentren.at/c2g: Schließlich wurden am Ende der ersten Staffel alle Folgen auf der Homepage des Jugend- und Stadtteilzentrums come2gether veröffentlicht.
Für CU-TV und unsere Homepage haben wir leider keine Zugriffszahlen, auf unseren sozialen Kanälen wurde jede Faktencheckerfolge von 50 – 100 Personen gesehen. Dass es sich dabei nur um einen kleinen Beitrag im Kampf gegen übermächtige Mythenerzählungen auf facebook, Instagram und im Internet handelt, ist uns klar. Aber nichts dagegen zu machen war für uns nie eine Alternative.
Für das Frühjahr 2022 ist eine zweite Staffel geplant. Dafür hat sich Marcel gewünscht, Expert*innen zu interviewen. Im c2g sind wir gerade dabei, eine Liste aufzustellen und verschiedene Expert*innen anzufragen.
Die Videoreihe „Der Faktenchecker“ wurde 2021 mit dem Österreichischen Jugendpreis ausgezeichnet.
Christian Orou
Jugend- und Stadtteilzentrum come2gether