Das Festival PLAY in Hamburg dreht sich um Creative Gaming – das Programm ist vielgestaltig: Workshops, Inputs, Talks, eine Ausstellung, ein Game-Entwicklungsstudio für alle Besucher_innen der Play (von jung bis alt).
Aus einigen Panels habe ich mir Denkanstöße mitgenommen und aus manchen konkrete Ideen, die ich gerne mit euch teile.
Spiele und politische Bildung?
Arne Busse von der Bundeszentrale für politische Bildung eröffnete und betonte den Unterschied zwischen „play“ und „game“, den es im Englischen gibt. Verkürzt dargestellt: Game ist das Spiel im Rahmen von Spielregeln, Play hingegen ist das regelbefreite Spiel. Wir brauchen beides! Busse schlug auch den Bogen von politischer Bildung zu creative gaming: Es geht in beiden Bereichen um das Ausverhandeln von, das Erweitern und das Diskutieren von Regeln. Also: Spielen ist durchaus politisch!
Ready, game, change!
Das Motto des letzten Play-Festivals konstatiert bereits: Mit Spielen die Welt verändern! So wie jede Medienerzählung Gesellschaftsstrukturen abbildet, so kann sie diese verfestigen (Geschlechterrollen,…) oder diese aufbrechen, anders und neu erzählen. Auch wenn dies selten in den Triple A-Spielen (die großen, umsatzstarken) passiert, aber in den Indie-Games, die aber nicht minder erfolgreich sind. Davon haben einige Talks auf der PLAY-Bühne überzeugt.
Was ist creative gaming und was sind die Potentiale für Bildung?
Die Initiative Creative Gaming ist der Veranstalter von PLAY. In einem Workshop haben sie ihre theoretischen und praktischen Zugänge zu Creative Gaming vermittelt.
Creative Gaming hat fünf Grundprinzipien: Spielregeln ignorieren, Spiele als Spielzeug nutzen, Virtuelles real werden lassen, Spiele als Werkzeug benutzen, Spiele neu denken
Digitale Spiele eigenen sich für Projekte der aktiven, handlungsorientierten Medienarbeit, als eine Methode der Medienkompetenzförderung, weil Spiele einiges mitbringen: Sie sind Medienalltag. Die Erzählformen und Genres von Spielen sind bekannt. Sie behandeln Alltagsthemen und bieten Kommunikationsanlässe. Sie ermöglichen kreative Produktionen und liefern schnelle Ergebnisse. Sie ermöglichen einen Perspektivenwechsel. Sie bieten viele thematische Anknüpfungspunkte.
Die Schnittmenge von Creative Gaming und politischer Bildung ist beachtlich:
- Auseinandersetzung mit Systemen: dekonstruieren, neu zusammensetzen, Zusammenhänge verstehen
- Medienkompetenz als Grundkompetenz zur Teilhabe an kommunikativen Prozessen. Dazu muss man Medien verstehen!
- Partizipation in der Jugendarbeit. Ist ein Grundprinzip der JA, die es ermöglicht, Jugendlichen zu verdeutlichen, dass bzw. wie sie gesellschaftliches Handeln mitgestalten (können)
- Creative Gaming als subversive Medienpraxis: gegen den Strich spielen, Selbstwirksamkeit
Neben dem Theoriegerüst lieferte der Workshop viele Beispiele aus der medienpädagogischen Praxis (Let’s Play Videos, Machinima,…) Einen guten Einblick liefert der YouTube Kanal der Initiative Creative Gaming.
Mein lange gehegtes Vorurteil gegenüber Creative Gaming wurde einmal mehr zerschlagen. So nahm ich früher an, Creative Gaming würde z.B. das Spielen von Shooterspielen nicht goutieren und durch eine pädagogische Intervention dem Spiel eine neue, „sinnvollere“ Deutung zukommen lassen wollen (zB. die Avatare in Counterstrike tanzen gemeinsam statt die Bombe zu entschärfen). Creative Gaming versteht sich als eine Erweiterung des Spielerlebens und nicht als pädagogisch motivierte Ersatzhandlung. Man kann nur mit Jugendlichen zu diesen Themen arbeiten, wenn sie Spielerfahrung mitbringen. Und die müssen wir auch anerkennen – nämlich als wertvolle Ressource!
„Ready Game Change – Mit Spielen die Welt verändern“
So die Überschrift eines ziemlich anregenden Gesprächs mit interessanten Menschen: moderiert von Christian Schiffer (Herausgeber der Zeitschrift WASD, Journalist für den deutschen Rundfunk, hat für ZDF die „Killerspiel-Debatte“ bearbeitet). Eine Empfehlung: Video von Schiffers Talk auf der re:publica / Mediaconvention Berlin vor drei Jahren
Auf dem Podium unter anderem Kathia von Roth eine hochspannende Frau an der Schnittstelle von Theater, Performance, Games und Aktivismus mit dem Fokus: das Narrativ verändern!
Ebenfalls am Podium Amelie Künzler, ihr Handlungsfeld sind urbane Interventionen und Gamification. Ein Anliegen: Den öffentlichen Raum durch Spiel neu erleben – Ampeltaster lösen an einer Kreuzung während der Rotphase ein Spiel aus. Effekt: dadurch, dass die Menschen miteinander spielen, gehen sie nicht bei Rot über die Straße. Gamification geglückt!
Einen großen Appell nehme ich aus diesem Gespräch mit: Gamification nicht falsch verstehen! Es geht nicht darum Menschen effizienter zu machen, indem man Arbeitsabläufe zum Schein als Spiel tarnt.
Menschen haben Vertrauen dadurch, dass sie den gleichen Erfahrungshintergrund haben – Spielen verbindet!
Michaela Anderle, wienXtra-medienzentrum,