In Zeiten einer globalen Pandemie sind viele Aspekte in der Jugendarbeit nicht oder nur sehr schwer möglich. Gerade der fachliche Austausch über Einrichtungs- und Organisationsgrenzen hinweg muss in anderen (digitalen) Formen stattfinden, mit allen bekannten Einschränkungen. Wie wir in unserer dreiteiligen Veranstaltung des WIENXTRA – Medienzentrums gelernt haben, gibt es aber durchaus positive Seiten. Einen internationalen Austausch so unkompliziert, praxisnahe und trotzdem sehr persönlich auf die Beine zu stellen, funktioniert online – in unserem Fall über Discord – sehr gut.
Gestartet haben wir unsere digitale Reise in Wien beim Verein Wiener Jugendzentren, am Discord-Server des Jugendzentrum Margareten „5erHaus“. Gleich zu Beginn des ersten Lockdowns in Österreich, Mitte März, haben mehrere Einrichtungen des Vereins begonnen, eigene Discord-Server zu betreiben. Es wurde viel experimentiert, um herauszufinden, wie diese Plattform in der Jugendarbeit verwendet werden kann. Besonders gut wurden Angebote genutzt, bei denen gemeinsam gespielt (sowohl digitale als auch analoge Spiele) oder für die Schule gelernt wurde. Es wurde aber auch vorgelesen, gebastelt, geplaudert oder gemeinsam Musik gehört.
Den ersten internationalen Stopp legten wir in Finnland bei VERKE ein. Bereits lange vor dem ersten Lockdown wurde ein Discord-Server gestartet, auf dem sich mehr als 100 Jugendarbeiter_innen vernetzt haben. Bis zum Sommer 2020 ist diese Zahl auf über 1000 gestiegen. Discord eignet sich besonders gut, um Communities aufzubauen und zu betreuen. Online-Jugendarbeit hat in Finnland eine lange und starke Tradition. Die Online-Arbeit war aber ungleich verteilt, einige waren schon sehr lange und viel damit beschäftigt, online mit Jugendlichen zu arbeiten, andere haben im ersten Lockdown tatsächlich fast bei null begonnen.
Als nächstes waren wir zu Gast bei Aseman Lapset, einer finnischen Einrichtung, die mit sogenannten „Walker-Bussen“ aufsuchende Jugendarbeit im öffentlichen Raum anbietet. Zusätzlich gibt es mit den „Walker-Cafe’s“ stationäre Angebote. Aseman Lapset hat im Zuge des ersten Lockdowns schnell beschlossen, dass sie Discord nutzen wollen, um ein „Online-Walker-Cafe“ zu schaffen. Sie haben sich zwei Wochen Zeit genommen und als Team genau geplant, wie sie ihren Server gestalten wollen. Wie die einzelnen Abläufe online aussehen sollen, wie die Kolleg_innen miteinander kommunizieren oder wie in Konfliktsituationen reagiert werden soll. Ein großer Unterschied zu anderen Einrichtungen ist, dass bei Aseman Lapset die Jugendlichen den Discordserver nur während den Öffnungszeiten nutzen können.
Unsere letzte Station führte uns nach Köln ins Jugendzentrum.digital. Dort wurde der Discordserver ein paar Tage nach dem ersten Lockdown ins Leben gerufen. Dabei war er von Beginn an trägerübergreifend geplant, das heißt alle offenen Jugendeinrichtungen waren eingeladen, hier Angebote für ihre Jugendlichen zu setzen. Bis heute nutzten diese Plattform 53 Einrichtungen von 17 Trägern. Vor allem zu Beginn war der Support für die Kolleg_innen eine zentrale Aufgabe vom Jugendzentrum.digital. Eine andere ist es, die wöchentliche Twitch-Sendung zu bewerben und eine Discord-Community dazu aufzubauen. Jeden Freitag von 17-19 Uhr findet das Programm auf der Streamingseite statt, dort stehen sowohl digitale als auch analoge Angebote im Mittelpunkt. Dazu werden Gäste, das heißt meist Jugendarbeiter_innen aus Köln eingeladen. Das dabei angebotene Programm beinhaltet neben Informationen über aktuelle Themen zum Beispiel gemeinsames Computerspielen, Zeichnen, Kochen, Quizzen, Musik machen u.v.m. (hier ein Highlightvideo)
Die gesamte Reise über haben uns bezüglich Discord Themen wie Datenschutz, Öffnungs- bzw. Schließzeiten, Umgang mit Konflikten und die Genderaspekte begleitet. Interessant war, dass die Erfahrungen der Kolleg_innen aus den unterschiedlichen Ländern sehr ähnlich waren. Überall wurden bei der Gruppe der ursprünglichen Besucher_innen nur ein Teil über Discord erreicht, dafür kamen überall neue Gruppen dazu, die bis dahin die Einrichtungen nicht besucht haben. Dies trifft auch auf Mädchen und junge Frauen zu, die diese Onlineangebote verhältnismäßig öfter annehmen. In Bezug auf den Datenschutz muss natürlich darauf geachtet werden, dass sensible Daten oder persönliche Beratungen nur über sicherere Kanäle (z.B.: Signal, o.ä.) ausgetauscht werden bzw. stattfinden sollen.
Zum Abschluss war für alle Teilnehmer_innen klar, dass die Arbeit mit Discord unbedingt fortgeführt werden soll. Dabei ist es besonders wichtig, die bisherigen und zukünftigen Erfahrungen genau zu evaluieren und diese Erkenntnisse mit Kolleg_innen zu teilen.
Benjamin Schmid
5erHaus – Verein Wiener Jugendzentren
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