TIKTOK, so heißt die App, die früher unter Musical.ly bekannt war. Im flash Mädchencafé haben wir schon viel darüber gehört. Seit Anfang 2020 als wir einen eigenen Account erstellt haben, im flash die ersten TIKTOK Discos organisiert und in allen Ecken des Mädchencafés kleine Clips gedreht wurden, hat sich unsere Beschäftigung mit der Plattform intensiviert.
Was ist TIKTOK?
„TIKTOK ist eine App, mit der man bis zu einminütige Videos aufnehmen und mit anderen Nutzerinnen und Nutzern teilen kann. Dazu können eine Vielzahl an Musikstücken, Effekten und Challenges genutzt werden, um zum Beispiel ein Playback-Video zum Lieblingssong zu erstellen oder aber auch etwas über sich selbst zu erzählen (#dasbinich).“
Quelle: Saferinternet.at
Die Clips werden anhand ihrer #Hashtags kategorisiert und können unter „Entdecken“ gesucht werden. Zu jedem Hashtag und zu jedem Song zeigt TIKTOK automatisch in der „Für dich“ oder „For you“ Liste die beliebtesten Videos an.
Rechtliches
TIKTOK darf ab 13 Jahren genutzt werden. Unter 18-Jährige brauchen das Einverständnis der Erziehungsberechtigten.
Urheberrechte: Die auf TIKTOK verwendeten Lieder und Filmszenen sind natürlich urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht einfach so verbreitet werden. Auch wenn es derzeit noch sehr einfach ist, Videos herunterzuladen, um sie auf Instagram oder YouTube wieder hochzuladen, sollte man hier besonders aufpassen. Im schlimmsten Fall kann das zu einer teuren Abmahnung führen. Mehr zum Thema Urheberrecht findet man auf dieser Seite von Saferinternet.
Auch zu den heiklen Themen Schutz der Privatsphäre, Schutz vor Cybermobbing und Belästigung gibt Saferinternet Empfehlungen bezüglich TIKTOK ab.
Sehen und gesehen werden
TIKTOK ist bei den flash-Mädchen* beliebt, die um die 13 Jahre alt sind. Die App ist für Mädchen* eine Möglichkeit des Sichtbarwerdens und der direkten Rückmeldung. Ihre kurzen, kreativen Videos sind witzige Lippensynchronsprechclips, Tänze oder Statements. Sie zeigen sich entweder alleine oder mit ihren Freund*innen, meistens zuhause oder im flash Mädchencafé.
Die Mädchen folgen ihren Stars oder „TIKTOKER*innen“, die mehrere 100.000 Follower*innen haben. Sie kopieren ihre Videos und verlinken sie, um Rückmeldungen dazu zu bekommen. Die Videos sind teilweise mit Filtern versehen oder mit Videoschnittprogrammen bearbeitet. Je aufwändiger gestaltet, desto mehr Rückmeldungen scheint es zu geben. Viele dieser Clips haben mehrere hundert Aufrufe.
Für manche Mädchen* sind die vielen Klicks wichtig, sie steigern ihr Selbstbewusstsein. Aus ihrer Sicht zeigt sich nicht nur durch den Inhalt der Videos, sondern auch durch die Anzahl der Klicks ob das Video gut war. Sie versehen ihre Videos mit beliebten Hashtags um auf die „Für dich“ oder „For You“ Seite zu kommen. Ein Algorithmus entscheidet zwar, welches Video dorthin gelangt, aber damit hat das Video garantiert mehr Views und Klicks. Die wichtigsten Follower*innen der Mädchen* sind aber ihre Freund*innen und Schulkolleg*innen. Auf die Herzen und Kommentare freuen sie sich am meisten.
Um die Lebenswelt der Mädchen* und jungen Frauen* im flash zu verstehen, ist es wichtig diese Videos zu sehen und mit ihnen darüber zu reden!
Mädchen*bilder auf TIKTOK
Jetzt tauchen wir ganz tief in die Welt von TIKTOK ein, um die Mädchen* im flash zu begreifen und einen Blick auf ihre Online-Jugendkultur zu bekommen.
Auf TIKTOK haben sich Selbst- und Fremdbezeichnungen geformt, die in den Alltag der Mädchen* Einzug gefunden haben. Mit diesen Mädchen*bildern, die teilweise sehr heteronormativ, auf Kleidung und Aussehen reduziert und wenig konsumkritisch sind, können sie sich identifizieren oder von anderen abgrenzen. Die Abgrenzung wird hauptsächlich durch Mode und Darstellungen in ihren TIKTOK Videos gezeigt.
Aus Sicht der Mitarbeiter*innen des Flash Mädchencafé werden queerfeministische Werte und Einstellungen durch TIKTOK wenig transportiert.
Hier ist eine Auswahl der unterschiedlichen Gruppierungen, die auf TIKTOK aktiv sind, und der Versuch einer Beschreibung mit Hilfe von Videos und dem Urban Dictionary.
„VSCO Girls“
Sind weiße, junge Mädchen*, die nach der Fotobearbeitungs-App „VSCO“ benannt wurden. Sie tragen gerne Scrunchies (dicke Haargummis), große T-Shirts, Muschelketten, weiße Turnschuhe oder Sandalen und eine Alu-Wasserflasche. Ihnen ist Umweltschutz wichtig und sie vermeiden Plastik. Gerne tragen sie auch einen Rucksack einer schwedischen Marke.
Hier der Link zur Definition auf Urban Dictionary und ein englisches Erklärvideo:
„EGirl“
Ursprünglich kommt die Bezeichnung EGirl aus der Gaming Szene und war als Abwertung für Gamerinnen gemeint. Auf TIKTOK und Tumblr haben sich die Mädchen* den Begriff positiv zugeschrieben. Man erkennt sie an Perücken, in dunklem Emo- Style und auffälliger Schminke mit Herzen oder Sternen unter den Augen. Gerne tragen sie gestreifte Shirts und tanzen einen speziellen Tanz. Hier geht’s zur Definition auf Urban Dictionary und Hier ein Analyse-Video, das das Phänomen erklärt und auch die Gefahren nennt.
„Soft Girl“
Hat ein betont feminines Auftreten, mag Haarschmuck und Kettchen. Tragen gerne Makeup und schminken sich Herzen und Wolken auf die Wangen. Rosa und Pastelltöne sind wichtige Farben. Sogenannte „Mom Jeans“ und dicke weiße Turnschuhe sind ihnen am liebsten. Soft Girls sind sehr junge, meist weiße Mädchen*. Hier die Urban Dictionary Definition.
Queerfeministische Mädchen*arbeit
In der (queerfeministischen) Mädchen*arbeit ist es nun unsere Aufgabe mit diesen Mädchen*bildern zu arbeiten, zu thematisieren, welche Rollenbilder oder Erwartungen damit transportiert werden, um nicht unreflektierte Stereotype zu reproduzieren.
Genauso wichtig ist es, die Mädchen* anzuerkennen und sie so zu sehen, wie sie sind und sich gerne zeigen wollen. Ihre und andere Lebensrealitäten sind gleichwertig und sie sollen wählen, wie sie sein wollen, ohne jemandem damit zu schaden.
Jugendkultur hat oft mit Mode, Marken, Konsum und Kapitalismus zu tun. Die damit einhergehenden Vorstellungen von Weiblichkeiten*, Männlichkeiten* und Körpernormen, stecken sowohl in der „Onlinewelt“ als auch in der „Offlinewelt“ und daher bleibt die kritische Medienbildung ein wichtiger Teil der Mädchen*arbeit im flash.
Uns ist wichtig, dass sich unsere Besucherinnen angenommen und wertgeschätzt fühlen, egal ob online oder offline. Wir sind in unserer Online-Jugendarbeit auf TIKTOK erst am Anfang und lernen die Möglichkeiten erst kennen. Ob dieser Arbeitsansatz eine Unterstützung für die queerfeministische Mädchen*arbeit sein kann, wird sich noch zeigen.
VIDEOS, die zum besseren Verständnis von TIKTOK beitragen
Was ist eigentlich TIKTOK: Infos von Jugendlichen von Clicksafe Germany
TIKTOK und Homophobie, es gab schwere Vorwürfe der Homophobie an TIKTOK. Hier wird die Situation von gofeminin analysiert.
TIKTOK und Datenschutz: Jugend- und Datenschutz sieht die Chinesische App sehr kritisch. Hier ein Bericht von tagesschau.de
Einen großen Dank möchte ich den Mädchen* und jungen Frauen* aus dem flash aussprechen, die uns mit ihrem Insiderwissen versorgt haben. Ohne sie hätten wir nie diesen Einblick in TIKTOK bekommen können.
Magdalena Mangl, Leiterin flash Mädchencafé
Link: flash Mädchencafé
Kontakt: