Das Team von Streetwork Meidling steht oft vor der Herausforderung, wie ein komplexes Thema möglichst niederschwellig (also tauglich für die Methode Streetwork) aufbereitet werden kann. In Bezug auf die Medienkompetenz haben wir uns im Vorfeld viele Fragen gestellt:
Wollen wir Jugendliche eher als Medien-Rezipient*innen, -Konsument*innen oder -Produzent*innen ansprechen? Wie weit wollen wir den Begriff Medium für uns fassen? Wie sehr wollen wir auf moderne Medien/Social Media und ihre Möglichkeiten und Gefahren eingehen? Fix war für uns nur: Wir wollten Reflexionsangebote in der Lebenswelt der Jugendlichen setzen. Falls wir Materialien benötigen, sollten diese folglich handlich, leicht und wetterfest sein. Ok.
Bitte nur ein Bit bearbeiten, oder: vom Digitalen zurück zum Analogen
Wo setzen wir an? Wir entschieden, das Ganze runter zu brechen auf einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Teilaspekt des Themas, nämlich jenen der Rezeption von Bildern. Bilder spielen (nicht nur für junge Menschen) eine immer größere und komplexere Rolle bei der Vermittlung von Botschaften und Informationen. Es geht ganz schnell: ein Reiz trifft auf die Netzhaut, der Sehnerv überträgt, und unser Gehirn verarbeitet die Information zum eigentlichen Sehen. Dann geht’s blitzschnell weiter – innerhalb von Nanosekunden denken und/oder fühlen wir – und dabei war bei der Information noch gar kein Text dabei. Die Masse und hohe Taktfrequenz an gescrollten Bildern sind für den seriellen Prozessor, der unser Gehirn ist, eine immer größere Herausforderung an Filterung und Bearbeitung. Steigen wir also mal aus, aus dem permanenten Strom und betrachten nur ein Bild, das aber wirklich und off-line. Was ist es, was wir sehen? Sehen wir, oder interpretieren wir? Denken wir etwas oder fühlen wir was? Sehen wir alle dasselbe oder gibt es unterschiedliche Lesarten?
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Mit diesen grundlegenden Fragen wollten wir die (bereits vorhandene) Medienkompetenz unserer Zielgruppe weiter fördern und anregen. Also: Was kann ein simples Bild denn so an Botschaften an unser Gehirn vermitteln, was für Interpretationen und Emotionen triggern? Wie tut es das und wie kann ich das erkennen (Ausschnitt, Bildunterschrift, Aufnahmestandpunkt, Bearbeitung…)? Und was kann das noch bewirken (klicken, weiterlesen, kaufen… siehe oben…)?
Die Umsetzung war im Vergleich zu den Überlegungen, die wir im Vorfeld angestellt haben – nur scheinbar – banal: Wir haben Bilder recherchiert (relativ lange, denn wirklich brauchbare sind gar nicht so leicht zu finden), diese jeweils einzeln ausgedruckt und laminiert, in einer Mappe gesammelt, die wir dann immer im Streetwork-Rucksack mit dabei hatten. Im Lauf der Zeit kamen textbasierte Reflexionsanstöße, ein Bullshitbingo zu Fake-News, Informationsmaterial zu Bildquellenanalyse und medienanalytischen Websites hinzu. Wenn kein brennendes anderes Thema in der Gruppe am Tapet war, haben wir einfach die Mappe rausgeholt und losgelegt. In den allermeisten Fällen gab es am Anfang zumindest ein Interesse daran Rätsel zu lösen, und für viele Jugendlichen stellte es (nicht überraschend) eine spezielle sportliche Herausforderung dar, elektronische Bildbearbeitung erkennen zu können (ergibt spannende Aussagen). Aber auch ein einfaches Bild möglichst interpretationsfrei beschreiben zu müssen, zeitigt durchaus interessante Ergebnisse.
Jedenfalls kamen (für beide Seiten) erhellende Gespräche dabei raus, aus denen wir wiederum gelernt haben: Jugendliche und junge Erwachsene sehen durchaus genau hin – wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt.
Und was haben wir daraus gelernt
Für mich persönlich ist das wieder mal so ein Lehrbeispiel gewesen, wie viel Theorie und gedankliche Vorbereitung in Methoden stecken, die dann in der Umsetzung so simpel erscheinen. Denn im Prinzip machen wir ja nicht weniger als pädagogische Unterrichts-Materialien für informelles Lernen herstellen. Wichtig dabei ist: die gedankliche Auseinandersetzung im Vorfeld ist notwendig und keineswegs umsonst. Dank dieser und den Fragen im Kopf, die man an sich selbst gerichtet hat, kann man aus einem einfachen Bild sehr viel mehr machen, nämlich einen Wahrnehmungs- und Lernprozess anstoßen.
Dank an dieser Stelle für das Seminar “Medienanalyse und Medienkritik” von Florian Danhel und Hannes Heller (wienXtra-medienzentrum), aus welchem ich mir viele Anregungen, Praxistipps und vor allem Begeisterung für das Thema mitgenommen habe.