Tausende Wiener_innen sind in Kinder- und Jugendorganisationen engagiert: Freizeitpädagogik, politischer Aktivismus, religiöses Leben, Feste und Brauchtum, Naturschutz oder Kinderrechte sind nur einige Bereiche, in denen diese Organisationen für ihre Mitglieder und für die Gesellschaft großartiges leisten. Doch in Zeiten der Krise bleibt Aktivismus ein sehr schwieriges Unterfangen!
Am 19. Mai kamen einige Aktivist_innen von Wiener Jugendorganisationen und Mitarbeiter_innen der Offenen Jugendarbeit zusammen – online natürlich, beim Online-Stammtisch der Wiener-Kinder- und Jugendarbeit, organisiert von wienXtra. Dort tauschten sie sich aus über die durch die Krise entstandenen Grenzen ihres Aktivismus, über Lösungen, die sie dazu entwickelt haben und darüber, wie die Krise ihre Arbeit auch nachhaltig prägen wird.
Gleich am Anfang des Stammtischs stellte sich heraus, dass es für die Verbandliche und Offene Jugendarbeit viele gemeinsame Herausforderungen gibt und deshalb die Lösungen oft ähnlich sind. Auf der anderen Seite ist Jugendorganisation nicht gleich Jugendorganisation, denn Zielpublikum, Inhalte, Altersgruppe und Aktivitäten sind auch untereinander sehr verschieden, oft sogar innerhalb der eigenen Organisation.
Die Grenzen des Aktivismus
Es ist unbestritten, dass die Jugendarbeit innerhalb von Tagen durch Kreativität, Offenheit und Flexibilität einen Quantensprung in Bezug auf die digitale Jugendarbeit schaffte. Dies gilt auch für die Verbandliche Jugendarbeit. Doch gleichzeitig wurde schnell klar, dass die digitale Welt nicht alles ersetzen kann (und soll). Das „Social Distancing“ deckte alt bekannte Probleme auf, z.B. Disparität bei digitalen Kompetenzen und dem Zugang zu technischen Geräten, die die Teilnahme an digitaler Jugendarbeit erst ermöglichen sollten. Wie bereits bekannt, teilen sich viele Familien einen Computer, wenn dieser überhaupt vorhanden ist. Das gleiche gilt oft für Smartphones, so bleibt manchmal das „klassische“ Telefonieren auch die einzige Möglichkeit, um in Kontakt zu bleiben.
Viele Jugendliche sind in der Krise aber einfach unerreichbar geblieben. Eine Gruppe die besonders schwer zu erreichen ist, sind Kleinkinder. Dies kann meistens nur mit Unterstützung der Eltern passieren, die aber bereits mit „Home Schooling“, „Home Office“ und dem allgemeinen Stress, den Kinderbetreuung während einer Pandemie und die Isolierung verursachen, konfrontiert waren. So stoßen sie auch schnell an ihre Grenzen. Neu waren jedenfalls auch die Ängste, die Kinder und Jugendliche um die eigene Gesundheit bzw. die Gesundheit von Angehörigen und Freund_innen verständlicherweise entwickelt haben.
Ein weiteres Problem für manche Kinder- und Jugendorganisationen war auch die Übersättigung an Online-Angeboten und Verpflichtungen. Gerade Studierende mussten Vorlesungen, Gruppentreffen und sonstige andere Aktivitäten in die digitale Welt verschieben. Verständlicherweise war dadurch auch die Bereitschaft und Zeit viel geringer, sich abseits von Pflichtterminen auch noch in der Freizeit an Videokonferenzen und sonstigen Online-Aktivitäten zu beteiligen. So waren viele Aktivist_innen, trotz vorhandener digitaler Fähigkeiten und technischer Ausrüstung, kaum erreichbar.
Auch der informelle Teil des Austausches zeigte sich gerade während dieser Krise als ein unabdingbarer Teil des Aktivismus. Die Gespräche zwischendurch, das ungeplante Zusammensein und die Freundschaften, die daraus entstehen, sind genauso eine Säule der Kinder- und Jugendorganisationen wie der inhaltliche oder formelle Teil, und dieser Teil fehlt derzeit zu einem großen Teil oder komplett.
Die kreativen Lösungen
Selbstverständlich konnte man nicht alle Schwierigkeiten lösen, letztendlich handelt sich um eine Pandemie, eine Situation, die noch praktisch keine_r von uns je erlebt hat. Dennoch, oder eher gerade deshalb, sind die Kreativität und die Palette an Lösungen, die entstanden sind, äußerst bemerkenswert. Das gilt sowohl für die Leistungen der Kinder- und Jugendorganisationen als auch für die Offene Jugendarbeit, wie wir es auch schon bei anderen Stammtisch-Terminen gehört haben.
Social Media und Videokonferenzen waren natürlich ein wichtiges Werkzeug dafür, dadurch sind auch wöchentliche Treffen für Aktivist_innen mit verschiedenen Aktivitäten wie z.B. Quiz-Abenden (auch ohne Apps), Vernetzungstreffen für Funktionär_innen, oder auch Treffen um einfach nur mal zu plaudern, entstanden. Bewährt haben sich dabei sowohl digitale Live-Treffen auf verschiedenen Plattformen wie auch asynchrone Angebote, wo etwa für die Zielgruppe extra dafür gedrehte Videos, kleine Aufgaben, Basteltipps und vieles mehr zur Verfügung gestellt wurden. So haben zum Beispiel Gruppen der Wiener Pfadfinder und Pfadfinderinnen wöchentlich ganze Online-Heimstunden gestaltet und sogar eine Online-Schnitzeljagd veranstaltet.
Auch sind viele spannende Projekte mit Kindern und Jugendlichen entstanden, z.B. organisierten die Muslimischen Pfadfinder_innen in Kooperation mit der YoungCaritas das generationsübergreifende Projekt „BriefFREUDE“. Kinder malten oder schrieben wöchentlich Briefe, die an Senior_innen verschickt wurden, um ihnen ein bisschen Hoffnung, Kraft und Mut während dieser schwierigen Zeit zu schenken. So schwierig wie die Krise auch war und immer noch ist, die Resilienz und die Kreativität die hier gezeigt wurde, ist beachtenswert! Auf einer digitalen Mural-Pinnwand haben wir die vielen Ideen, die beim Stammtisch genannt wurden gesammelt.
Die Zukunft
Die digitale Welt kann die analoge Welt nicht ersetzen, sie kann aber die Möglichkeiten, die Kinder- und Jugendorganisationen für ihre Aktivitäten haben, erweitern und/oder verbessern. Viele der Engagierten waren bereits mit digitalen Werkzeugen und Methoden sehr gut ausgerüstet. Der Mensch ist jedoch ein Gesellschaftswesen, der Drang, wieder „unter Menschen“ zu sein, ist groß und zeigt sich jetzt wieder vor allem auf den Grünflächen unserer Stadt.
Es sind auch Vorteile bzw. Tendenzen entdeckt worden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der zukünftigen Arbeit beibehalten werden. So sind Fortbildungen, Koordinierungstreffen, aber auch das Treffen von Entscheidungen überregional einfacher geworden. Dies fördert auch die Beteiligung von Orts- oder Landesgruppen, die weiter entfernt sind oder die sich nicht immer die Reise zu zentralen Treffen leisten können.
Die digitale Welt erlaubte auch eine neue Kurzfristigkeit und Spontanität, die es möglich macht, auf Themen und Bedürfnisse sehr rasch zu reagieren. Dafür waren auch digitale Kompetenzen notwendig, die zwar nicht immer vorhanden waren, aber im rasanten Tempo gewonnen wurden. So arbeiten die Kinder- und Jugendorganisationen weiter daran und bemühen sich auch darum, das Leben von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, ihre eigenen Kompetenzen zu entwickeln und Wien jugendfreundlich zu gestalten, auch während einer Krise.
Anu, Michi, Nadine (medienzentrum), Johanna, Aldo (ifp) & Stefan (jugendinfo/soundbase)
Der Online-Stammtisch der Wiener Kinder- und Jugendarbeit ist ein Projekt der wienXtra-Einrichtungen ifp, jugendinfo und medienzentrum.