Inklusive Jugendarbeit erst 2030?

Das Programm “Inklusives Wien 2030 – eine Stadt für alle” verfolgt das Ziel, eine gleichberechtigte Teilhabe für alle zu ermöglichen. Wir wollen deshalb auch Freizeitangebote inklusiver gestalten. Wenn wir in der Jugendarbeit über inklusive Räume nachdenken, müssen wir uns aber auch fragen: Wer ist denn nicht hier und warum?

Viele Jugendeinrichtungen in Wien – darunter auch Einrichtungen von JUVIVO – werden von jungen Menschen besucht, die aus sogenannten sozialökonomisch benachteiligten Familien kommen. Diese Familien sind in den letzten Generationen nach Österreich bzw. nach Wien migriert oder geflüchtet. Viele von ihnen erfahren tagtäglich gesellschaftliche Benachteiligung: in der Schule, bei der Suche nach Lehrstellen oder Wohnungen, in den Medien oder einfach darin, wie Menschen auf der Straße mit ihnen umgehen. Offene Kinder- und Jugendarbeit trägt somit seit jeher einen wichtigen Teil zur gesellschaftlichen Teilhabe bei, insbesondere von Menschen, die in unterschiedlichen Lebensbereichen diskriminiert werden.

Das erreichen wir beispielsweise, indem wir (Aus-)Bildungschancen verbessern, mit ihnen für die Schule lernen oder Bewerbungen schreiben, sie in niederschwellige Teilhabeprozesse bei der Gestaltung des öffentlichen Raums einbinden oder ihnen einfach das Gefühl vermitteln, dazuzugehören.

So wie die Jugendeinrichtungen in Wien derzeit gestaltet sind, können aber trotzdem nicht alle dabei sein. In vielen Räumen sind bauliche Barrieren die offensichtlichsten Hürden. Sie sind mit Rollstühlen oder anderen Gehhilfen nicht nutzbar, weil es Treppen gibt oder weil es keine barrierefreien Toiletten gibt. Auch Möbel, Wuzzler und Tischtennistische, die in Jugendräumen nun mal so herumstehen, machen es manchen Besucher:innen schwer, sich darin ungehindert zu bewegen. Andere Barrieren, die am Dabeisein hindern, sind meist nicht so einfach zu erkennen. Beispielsweise kann ein Raum voller Menschen, die alle laut miteinander sprechen oder auch intensive Gerüche, körperliches Unwohlsein verursachen. In der Jugendarbeit treffen Gehörlose leider noch zu selten auf Jugendarbeiter:innen und Peers, die ausreichend Gebärdensprache sprechen, um miteinander plaudern zu können. Wie gehen wir mit sogenannten “unsichtbaren Behinderungen” um, auf die wir nicht in jeder Situation vorbereitet sein können?

Bestimmte Beeinträchtigungen erfordern viel Unterstützung und besondere Kenntnisse, über die Jugendarbeiter:innen entweder (noch) nicht verfügen oder die sie mit den vorhandenen Ressourcen nur schwer aufbringen können, wenn sie etwa in einer Einrichtung mit 40 Besucher:innen zu dritt einen Überblick behalten sollen.

Eine große Herausforderung ist unser Anspruch, dass Jugendeinrichtungen möglichst geschützte Räume für alle sein sollen. Jugendliche sind nicht immer sensibel im Umgang miteinander. Sie testen die Grenzen anderer aus und erleben auf unterschiedliche Arten Grenzüberschreitungen. „Schwul“, „behindert“ und „Flüchtling“ sind gängige Schimpfwörter in ihrem jugendlichen Wortschatz. Dabei berücksichtigen sie nicht, dass sie damit Menschen verletzen. Auch absichtliche Diskriminierung und Mobbing kommen vor und treffen vor allem diejenigen, die als „anders“ wahrgenommen werden.

Wie können wir das also schaffen, mit der Inklusion in der Jugendarbeit? Wir müssen nicht nur bauliche Barrieren abbauen, sondern als Jugendarbeiter:innen eine Blick dafür entwickeln, wer nicht da ist und warum. Wir müssen den gemeinsamen Umgang in unseren Räumen reflektieren, Grenzen anerkennen und Konzepte entwickeln, die diese Grenzen überwinden. Und wir müssen in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, aber auch mit Menschen auf der Straße den scheinbaren Graben zwischen Verletzungen und diskriminierendem Verhalten und jugendlichen Lebenswelten, die durch unterschiedliche Kontexte beeinflusst werden, überbrücken.

Autor*in: Marcella Merkl – Verein JUVIVO, Pädagogische Leitung

Stadt Wien MA13

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